1951-1956: Zukunft Westeuropa
1951 präsentierten die Verlage Ferdinand Hirt, nun in Kiel, und Hermann Schroedel in Hannover die gemeinsam verlegte Nachkriegsausgabe schlichtweg als SEYDLITZ. Weitere Zusätze waren für die längst etablierte Marke nicht nötig. Ganz und gar nicht knapp gehalten war dagegen seine Stoffaufbereitung. Der länderkundliche Durchgang und das Landschaftsprinzip standen weiterhin auf dem Lehrplan und das neue Autorenteam nahm sich ihrer in teils epischer Breite an. Ausgiebige Stadt- und Landschaftsbeschreibungen, die auch das "Malerische" mit Blick auf eine ästhetisch-sittliche Erziehungsaufgabe der Geographie mitbedachten, richteten sich an die Unterklassen. Für die Oberstufe waren es wissenschaftlich angelegte räsonierende Lehrbuchtexte. Dabei stand die von früher her gewohnte kleinteilige Gliederung nebst den typographisch betonten Anhaltspunkten nicht Pate.
Leitbild Westeuropa
Nach dem zweiten verlorenen Weltkrieg ließ der "Seydlitz" dieses Mal den Schülern der Bundesrepublik keinen Zweifel an einer gesicherten Zukunft dank ihrer Einbettung in die vom Marshall-Plan unterstützte "westeuropäische Schicksalsgemeinschaft". Von Europa aus sah man den Anstoß für das Ende von Nationalismus und Imperialismus ausgehen. Nicht mehr die Großmächte gaben daher den Rahmen für die Gliederung des Oberstufenbandes ab, sondern Staaten übergreifende Kulturräume.
Dem westlichen Abendland, von Demokratie und Individualismus geprägt, wurde nun die identitätsstiftende Funktion übertragen, die einst dem hegemonialen Mitteleuropabegriff beigelegt wurde. Angesichts der politischen, wirtschaftlichen und militärischen Zweiteilung Europas in Ost und West galt er als überholt. Politisch unverdächtig diente die Mitte Europas als reine Lagebezeichnung. Auch das Ziel der Überwindung der "Dreiteilung" Deutschlands in die BRD, die "Sowjetzone" und die "Ostgebiete" jenseits von Oder und Neiße machte man an dem "freien" Europa fest.
Seine Erreichbarkeit erschien ungewiss, zumindest in eine ferne Zukunft gerückt. Zwar spielte bei der vorgeschriebenen Behandlung Deutschlands in den Grenzen von 1937 die Vertreibung der Deutschen eine große Rolle, auch wurde unter Berufung auf ihre "jahrhundertelange, zähe Arbeit" an Boden und Kultur an dem "Recht auf Heimat" festgehalten, mindestens ebenso zentral waren jedoch die verbuchten Erfolge bei der Integration der Heimatvertriebenen. An Dringlichkeit hatte es damit eingebüßt. Allerdings konnte sich bei den Schülern der Eindruck einseitig erlittenen Unrechts einstellen. Das Bewusstmachen der Kriegsschuld Nazi- Deutschlands und seiner Verbrechen in den besetzten Gebieten blieb noch aus.