Der von v. Seydlitz anfangs für die Brüdergemeinen verfasste Leitfaden war preiswert - höchstens halb so teuer wie vergleichbare Schulbücher - und mit rund 290 Seiten auch kürzer als die oftmals viele hundert Seiten starken "Leitfäden". Den Jungen und auch den Mädchen diente er zur häuslichen Wiederholung, den Lehrern als Richtschnur und Stichwortgeber. Ausformulierte Textpassagen wechseln sich ab mit Wortaneinanderreihungen im Telegrammstil. Zum Vorlesen war er nicht geeignet, sondern angewiesen auf die Unterrichtsvermittlung. "Recht lebhaft erläutert, erklärt, ausgemalt muß alles werden; es ist nur Skizze"- so v. Seydlitz. Für die Schüler hieß das zuweilen Mitschreiben der notwendigen Ergänzungen und für die Lehrer eine sorgfältige Unterrichtsvorbereitung. Ein Lehrer ließ sich in seinen "Seydlitz" gleich Leerseiten für die Notizen mit einbinden und schuf sich so sein persönliches Lehrerhandbuch. Gedacht war der Leitfaden für Kinder ab dem fünften Lebensjahr - höhere Schulen konnten damals die Elementarbildung mit anbieten - und war daher in zwei Kurse für Anfänger und Fortgeschrittene geteilt.
Geographisch geordnete Staatenkunde
Methode und Inhalt entsprachen den Kriterien, die ein gutes Geographiebuch erfüllen sollte. Die Betonung liegt auf "Geographie", denn erst um die Jahrhundertwende hatte sich das Fach als Lehre vom Raum und den Raumverhältnissen mit der natürlichen Erdoberfläche als Grundlage und Ausgangspunkt neben der politisch-statistischen Staatenkunde ein zweites Standbein zugelegt. Der Leitfaden folgte dementsprechend dem als natürlich geltenden Gliederungsprinzip nach landschaftlichen Einheiten (Ländern) und einer davon abgeleiteten logischen Ordnung des Stoffes. Zudem zeigte sich v. Seydlitz als Anhänger der verbreiteten analytischen Methode, die vom Ganzen zum Einzelnen übergeht. Konkret hieß das: zuerst die Erde als Teil des Sonnensystems, dann die Erdkugel bzw. Erdgeometrie mit ihren Breiten, Längen und Zonen, gefolgt von dem "physischen" in Land, Wasser und Atmosphäre geteilten Naturkörper. über die Naturprodukte gelangte er zur Erde als Wohnplatz des Menschen, über seine Staaten bildende Eigenschaft zu der politischen Geographie, die mit rund 240 Seiten den Löwenanteil des Buches ausmacht. Die "geo- graphisch" nach Erdteilen und "Ländern" (wie Pyrenäenhalbinsel, Skandinavien) angeordneten Staaten wurden nach den Rubriken Grenzen, Boden (Gebirge), Flüsse, Klima, Produkte, Handel, Einwohner (mit historischen Einschüben) durchdekliniert, dann ihre administrative Untergliederung mit den wichtigsten Städten nebst deren "Merkwürdigkeiten" aufgezählt.
Ein Beispiel: Spanien
über Spanien erfährt man 1836:
Gegen 9000 QM., 14 Mill. Einw.-Grenzen: Frankreich, das Biskayische Meer, der Atlantische Ozean, Portugal, Straße von Gibraltar, das Mittel-Meer - Boden: Sp. ist eine Hochebene (an 2000'), durchschnitten von einigen Flußthälern und höheren Gebirgsketten. Erste Kette die schneebedeckten Pyrenäen (Montperdu 10500', Maladetta 10700') (...) Der Boden ist zwar fruchtbar, doch hie und da wasserarm, dürr, waldlos. - Flüsse: Ebro, Minho usw.(6 Namen) Clima. Nur im Norden ein wahrer Winter. Im Sommer große erschlaffende Hitze (Solano; gelbes Fieber, auch Erdbeben 1829). - Produkte: treffliche Weine, Rosinen, Südfrüchte, Feigen, Mandeln (...) Merinos, treffliche Pferde (...) Das Land ist sehr ungleich angebaut, zum Theil gar nicht; Getreide nicht hinlänglich, Esparto ersetzt den Flachs. - Kunst-Produkte: die Manufakturen nicht ausreichend; und die Handelsbilanz sehr zum Nachtheil Spaniens. - Einwohner: die Spanier sind ein ernstes, mäßiges, ausdauerndes, tapferes, stolzes Volk, das haben sie gegen die Mauren, wie bei der Eroberung Amerikas und gegen die Franzosen bewiesen. (...) Nach Philipp II ging es bergab. Alle spanischen Länder haben jetzt nur noch 14,000 QM, 18 Mill. Einwohner, 40 Mill. Rthl. Einkünfte (bei 400 Mill. Rthl. Schulden!) Ein Königreich (...) Eigenthümlichkeiten: der spanische Mantel, die Stiergefechte, Fandango, Guitarre, die frohe Weinlese. - A.1 Neu- Kastilien (in der Mitte) (...) Toledo: am Tajo (25,000 Einw.), halb verfallen, herrliche Kathedrale; Klingen-Fabrik., Aranjuez, Lustschloß. (...)