Praxis Philosophie und Ethik

Seit jeher erfahren die Menschen die Zeit als ein Phänomen, das ihr Leben nicht nur als Individuum, sondern auch als Gattung oder als Menschheit bestimmt. Sie interpretieren Zeit in ihrer Bedeutung zwar verschieden, schätzen sie aber immer als so grundlegend ein, dass etwa Martin Heidegger sie in den Titel seiner Hauptschrift aufgenommen hat: „Sein und Zeit“. Existieren ist immer schon zeitlich, lässt sich aus seinem zeitlichen Horizont nicht lösen und definiert – durchaus im ursprünglichen lateinischen Wortsinn – Menschsein als schlechthin begrenzt. Nicht nur aufgrund dieses grundlegenden Charakters ist Zeit Thema der Philosophie seit deren Anfängen, wobei die Zeit als fascinosum mit der Dunkelheit einer der ersten Aussagen über sie korrespondiert: „Der Ursprung der Dinge ist das Grenzenlose. Woraus sie entstehen, darein vergehen sie auch mit Notwendigkeit. Denn sie leisten einander Buße und Vergeltung nach der Ordnung der Zeit.“ (Anaximandros, ca. 615–545 v. Chr.; übers. v. Wilhelm Nestle). Nicht nur aufgrund dieser grundlegenden Bedeutung für den Menschen versteht es sich von selbst, dass weder die Philosophie als Fachwissenschaft noch die Philosophiedidaktik umfassende oder gar letztgültige Antworten zum Thema Zeit formulieren können. Wohl aber lassen sich in der Unterrichtspraxis Aspekte und Facetten thematisieren, die Schülerinnen und Schüler nicht – gemäß einem beliebten pädagogischen Gassenhauer – dort abholen, wo sie stehen, sondern vielmehr das thematisieren, worin sie stehen: eben in der Zeit.