Projektmanagement unterrichten - Anregungen für die Unterrichtsgestaltung

Immer mehr Lehrpläne sehen Projektmanagement vor
Das Thema "Projektmanagement" verbreitet sich nach und nach in den Lehrplänen berufsbildender Schulen. In vielen Fällen ist dem Thema sogar ein eigenes Lernfeld (bzw. Lerngebiet) gewidmet. Dazu ein paar Beispiele:

  • KMK-Rahmenlehrpläne: Industriekaufleute (80 Stunden), Büromanagement (40 Stunden), Großhandel (80 Stunden), Außenhandel (40 Stunden), Kaufleute für Tourismus und Freizeit (80 Stunden), Kaufleute für Dialogmarketing (100 Stunden) usw.
  • Sonstige Lehrpläne/Richtlinien: Fachoberschule Wirtschaft und Verwaltung in Niedersachsen (100 Stunden), Fachoberschule Technik in Niedersachsen (100 Stunden), Fachschule für Technik in Hessen (80 Stunden) usw.
So viel Raum wird anderen Managementkonzepten (Prozessmanagement, Qualitätsmanagement, Change-Management usw.) nicht eingeräumt. Das wirft Fragen auf, von denen einige im Folgenden beantwortet werden.
Was ist eigentlich Projektmanagement?
Projektmanagement ist eine komplexe Methode zur Abwicklung von Projekten. Zu diesem Zweck wird ein Projekt zunächst in mehrere Phasen zerlegt, in denen dann klar definierte Prozesse unter Einsatz spezifischer Instrumente abgearbeitet werden1. In kleineren Projekten übernimmt das die Projektleitung neben ihrer fachlichen Arbeit, in größeren Projekten wird dazu ein Projektmanagementteam zusammengestellt. Dabei versteht man unter einem Projekt ein einmaliges und komplexes Vorhaben mit einer konkreten Zielsetzung, welches in Teamarbeit in einem begrenzten Zeitraum abzuwickeln ist (z. B. Entwicklung einer neuen Maschine, Organisation eines Events).

1 Etwas anders verhält es sich bei agilem Projektmanagement (siehe unten).
Welche Rolle spielt Projektmanagement in der betrieblichen Praxis?
In den letzten Jahren hat die Bedeutung des Themas immer mehr zugenommen: Waren Projekte und Projektmanagement noch in den 80er Jahren nur in wenigen Großkonzernen anzutreffen, gehören sie heute in den meisten Organisationen zum beruflichen Alltag. In der letzten Ausgabe des Flügelstifts (Ausgabe 2020/2021) erläuterte Peter Limpke, dass der zunehmende Innovationsdruck im Groß- und Außenhandel dazu führt, dass aus Sachbearbeitern Fallbearbeiter werden und dabei der Trend zum Projektmanagement geht (Seite 12 ff.). Große Unternehmen wie z. B. Siemens oder die Commerzbank knüpfen in bestimmten Bereichen sogar die Karriere ihres Personals an diese Methodenkompetenz. Gleichwohl bedeutet der Umstand, dass viele Organisationen Projekte durchführen, noch lange nicht, dass sie wissen, wie es geht: Der Autor dieser Zeilen leitet seit über 20 Jahren nebenberuflich als Trainer Projektmanagementseminare in Hochschulen und Betrieben. Bei der Erwartungsabfrage zu Seminarbeginn äußern Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der betrieblichen Praxis (sowohl aus der Sachbearbeitungs- als auch aus der Führungsebene) seit Jahren regelmäßig denselben Wunsch: Sie hätten gern eine übersichtliche Struktur, einen konkreten Leitfaden, der sie durch das Projekt führt, sowie praxistaugliches Handwerkszeug (z. B. Planungstechniken, Softwaretools). Offenbar schlägt sich das Personal vieler Betriebe sowohl auf der Sachbearbeitungs- als auch auf der Führungsebene ohne professionelle Methoden durch, was man auch als "operationales Durchwursteln" bezeichnet. Das gleiche gilt für Projekte an Hochschulen. Das aber führt regelmäßig zu Unklarheiten, Misserfolgen und Frustrationen aller Beteiligen.

Projektmanagement - Schritt für Schritt zum Ziel

978-3-427-01220-7
5. Auflage 2021
Erscheint Q4/2021
  • einen vollständigen und leicht verständlichen Leitfaden ("Schritt für Schritt"),
  • ein durchlaufendes Praxisbeispiel,
  • Aufgaben zur Texterschließung, Fallstudien und Anregungen für Unterrichtsprojekte,
  • ein Grundlagenkapitel "Agiles Projektmanagement".
Der zugehörige Materialienband enthält neben den Lösungen auch pädagogische Empfehlungen zu den Fallstudien und Unterrichtsprojekten.
Wozu wollen wir unsere Schülerinnen und Schüler befähigen?

Aus den vorangehenden Ausführungen lässt sich ableiten: Berufsbildende Schulen tun ihren Schülerinnen und Schülern einen großen Gefallen, wenn sie ihnen eine klare Struktur auf den Weg geben und sie im Idealfall befähigen, Projekte systematisch zum Ziel zu führen. Ehemalige Schülerinnen und Schüler der BBS Osterholz-Scharmbeck melden seit vielen Jahren zurück, dass diese Methode ihnen für ihren beruflichen Werdegang von großem Nutzen war.
 
Die in der Tabelle "Kann-Liste" exemplarisch aufgeführten Fähigkeiten und Fertigkeiten sind in diesem Sinne als Anregung für eine unterrichtliche Zielsetzung zu verstehen. Sie stellen eine mögliche Konkretisierung der Methodenkompetenz dar, wie sie in der Wirtschaftspädagogik gefordert wird.

Gelingt es uns, diese und ähnliche Fähigkeiten und Fertigkeiten zu vermitteln und kommt dann noch etwas Übung hinzu. So erwerben unsere Schülerinnen und Schüler eine Methodenkompetenz, die ihren Namen verdient.
Wie kann man den Unterricht gestalten?
Zur Vermittlung der in der Tabelle aufgeführten Fähigkeiten und Fertigkeiten werden im Folgenden drei Wege vorgeschlagen, die abhängig von den Bedingungen im Einzelfall ausgewählt und angepasst werden können:

Die erste Variante sind einfache Übungsaufgaben zur Erschließung der theoretischen Grundlagen (Sachwissen) und zur Vermittlung ausgewählter Fähigkeiten (z. B. Entwickeln von Netz- oder Balkenplänen, Berechnen von Projektkosten). Die Erarbeitung und die Auswertung erfolgen im traditionellen Unterricht. Dabei kann die Motivation mithilfe digitaler Quiz-Wettbewerbe (z. B. Kahoot) erhöht werden.

Die zweite Variante sind Fallstudien, also simulierte Projekte im sicheren Schonraum der Theorie, denen eine fiktive Handlungssituation zu Grunde liegt. Im Folgenden werden zwei bewährte Alternativen vorgeschlagen:

  • Fallstudien Typ A: Erarbeitung und Auswertung ausgewählter Etappen im Wechsel: Ausgewählte Etappen eines fiktiven Projekts können sein: Analyse eines Ausgangsproblems, Formulierung von Projektzielen, Entwicklung eines Lösungskonzepts, Analyse von Projektrisiken, Entwickeln eines Projektstrukturplans usw. Diese werden von vierköpfigen Teams zeit- und arbeitsgleich bearbeitet, dabei liegt den Schülerinnen und Schülern das zugehörige Fachwissen vor. Am Ende jeder Etappe werden die Teamergebnisse präsentiert, verglichen und diskutiert. Dabei wird empfohlen, nach der Diskussion eine Beispiellösung auszuteilen, denn zum einen dürfen die Schülerinnen und Schüler eine Beispiellösung als Orientierung erwarten. Zum anderen kann diese Beispiellösung als gemeinsame Grundlage für die nächste Etappe dienen, damit auch die Ergebnisse der nachfolgenden Etappen vergleichbar bleiben (frei nach der Devise: "Ein Urteil entsteht aus dem Vergleich."). Eine Bewertung der Ergebnisse wird hier nicht empfohlen.
  • Fallstudien Typ B: Selbständige Entwicklung eines vollständigen Projektangebots: Dieses wird auf Grundlage einer fiktiven Ausschreibung von allen (vierköpfigen) Teams im Wettbewerb erstellt (z. B. Projektangebot für den fiktiven Bau eines Baumhauses für ein Hotel). Die Angebotserstellung dauert wenige Wochen und erfolgt völlig selbständig; auch hier liegt das zugehörige Fachwissen den Teams vor. Die Wettbewerbssituation fördert die Motivation und bildet zugleich die Realität einer Ausschreibung ab, denn auch in der Praxis entwickeln "Angebotsteams" Projektangebote in wenigen Wochen. Das Projektangebot enthält mindestens ein kreatives Lösungskonzept (z. B. beschriftete Entwurfszeichnungen zu verlangten Ansichten), eine Nutzwertanalyse (sofern auch ein Alternativentwurf verlangt wurde), eine Risikoanalyse, eine Stakeholder-Analyse sowie eine vollständige Projektplanung (Projektstrukturplan, Abeitspaketbeschreibungen, Zeit-, Ressourcen- und Kostenplan). Das Projektangebot ist die eigentliche Leistung (das Produkt wird ja nicht realisiert) und eignet sich für eine Bewertung.
Die dritte Variante sind Unterrichtsprojekte wie zum Beispiel das Drehen eines Lehrfilms, die Organisation einer schulweiten Fitnessmesse, die Planung und Durchführung einer Befragung oder die Entwicklung eines Marketingkonzepts.
Diese Variante gilt als die pädagogisch wertvollste und ist auch bei Schülerinnen und Schülern sehr beliebt. Gleichwohl ist sie auch die anspruchsvollste Variante und mit einigem Vorbereitungsaufwand für die Lehrkraft verbunden. So müssen im Vorfeld folgende Fragen beantwortet werden:

  • Wie entstehen die Projektthemen und Projektaufträge?
  • Wie groß sind die Projektteams und wie setzen sie sich zusammen?
  • Welche Leistungen sind insgesamt zu erbringen (einschließlich Projektdokumentation)?
  • Wie lange dauert das Projekt und wann ist welche Leistung abzugeben?
  • Wie sind die schulischen Rahmenbedingungen (z. B. Bereitstellung von Ressourcen)?
  • Wie werden die Projekte bewertet (Bewertungsgrundlagen und -kriterien)?
Damit bei der Vielzahl der Fragen im Tagesgeschäft alle Beteiligten die Übersicht behalten, wird hier vorgeschlagen, einen schlanken schulinternen Projektleitfaden zu verfassen, der diese und weitere wiederkehrende Fragen ganz allgemein beantwortet und in den Folgejahren eingesetzt und weiterentwickelt werden kann. Dieser Leitfaden, der vor Projektbeginn mit der Klasse besprochen werden sollte, schafft einerseits Transparenz für die Lerngruppe und schützt andererseits die Lehrkraft davor, bei der Beantwortung von Fragen im Projektverlauf in Widersprüche zu geraten. Die empfohlene Standardantwort auf wiederkehrende Schülerfragen lautet dann: "Bitte im Leitfaden nachlesen."
 
Auch wenn die Versuchung für die Lehrkraft groß ist, möglichst viele Elemente des Projektmanagements einzubauen, also eine umfangreiche Projektdokumentation zu verlangen, so wird hier doch aus zwei Gründen dazu geraten, zumindest in der Erprobungsphase "den Ball flach zu halten", sich also auf wenig Instrumente zu beschränken. Denn zum einen kann der Bewertungsaufwand für die Lehrkraft leicht überhandnehmen, zum anderen ist ein umfangreiches Projektmanagement aus Sicht der Schülerinnen und Schüler nicht nachvollziehbar ("unnützer Papierkram"). Und damit liegen sie gar nicht mal so falsch, denn Unterrichtsprojekte weisen i.d.R. nicht den Grad an Komplexität auf, der in realen Projekten in der betrieblichen Praxis bewältigt werden muss. Für Unterrichtsprojekte bedeutet das: Ein Projektauftragsformular, ein Projektstrukturplan und ein einfacher Zeitplan (Balkenplan) reichen für den Anfang völlig aus. Denjenigen, die mehr Projektmanagementinstrumente im Zusammenhang vermitteln wollen, sei die Fallstudie Typ B (siehe oben) angeraten.
Agiles Projektmanagement
Abschließend soll noch ein Blick auf eine neuere Entwicklung dieser Disziplin geworfen werden, nämlich auf das agile Projektmanagement. "Agil" bedeutet so viel wie beweglich oder wendig und bringt zum Ausdruck, dass das Projekt auch noch in späteren Phasen flexibel auf geänderte Kundenwünsche reagieren kann. Agiles Projektmanagement hat seine Wurzeln in der Softwareentwicklung, wo sich die Kundenanforderungen laufend ändern, entsprechend erfolgreich verbreitet es sich in Software- und auch in anderen IT-Projekten.

Die bekannteste agile Methode ist Scrum, welches drei Rollen mit klar definierten Aufgaben vorsieht: Den Product Owner, den Scrum Master und das Entwicklungsteam. Eine Projektleitung gibt es hier nicht. Das Gesamtprojekt wird in eine Vielzahl von Iterationen (Sprints) von maximal 30 Tagen zerlegt, an deren Ende jeweils ein verwertbares Produkt bzw. eine Produktkomponente (Produktinkrement) steht. Dieses wird am Ende des Sprints vom Auftraggeber oder dem Product Owner begutachtet und mögliche Änderungswünsche aufgenommen, die im folgenden Sprint berücksichtigt werden können. Der Anforderungskatalog des Kunden (Product Backlog) ist dynamisch und nie vollständig.
 
Agiles Projektmanagement hat in bestimmten Branchen, insbesondere in der Softwareentwicklung, große Vorteile gegenüber dem klassischen Projektmanagement. Es ist aber an bestimmte Voraussetzungen gebunden, die nicht bei jedem Projekt gegeben sind und es deckt auch nicht alle Instrumente des Projektmanagements ab (z. B. gibt es kein Risikomanagement). Es kann daher als wertvolle Ergänzung, nicht aber als Ersatz des klassischen Projektmanagements betrachtet werden - etwa so, wie das HGB das BGB ergänzt, aber nicht ersetzt. Der neueste Trend ist das hybride Projektmanagement, also eine Kombination aus klassischem und agilem Projektmanagement.

Ihr Autor

Arndt Beiderwieden, Autor der Fachbücher "Projektmanagement" und "Projektmanagement für IT-Berufe" (Co-Autorin: Elvira Pürling) und der Arbeitsbuchreihe "Ökonomische Kompetenz"