„Noch einmal! Noch einmal!“, so klingt es vielstimmig im Morgenkreis in der Kita, wenn es den Kindern Spaß gemacht hat, wenn sie fröhlich zusammen sind, an einem Thema spielend lernen und noch mehr davon wollen. Das gemeinsame Tun, die gemeinsame Freude am Tun – am „Quatsch“ machen, lustig sein und lachen, indem mit der Sprache gespielt wird, sorgt für eine gelöste, entspannte Atmosphäre in der Kindergruppe. Und wir Erzieherinnen dann merken:
- die Freude der Kinder überträgt sich auf mich,
- meine Vorbereitungen haben sich gelohnt,
- das motiviert mich in meinem Beruf!
Das soll auch mit gezielter Sprachförderung klappen? Mit Wortschatzerweiterung, Erfassen von Grammatikstrukturen und Artikulationsübungen. Ja, das ist möglich! Sogar mit vermeintlich ganz kleinen „harmlosen“ Kinderreimen. Beispielhaft sei die Freude an der Sprache verbunden mit der Förderung der Sprache am Kinderreim „Die Nadel sagt zum Luftballon“ von Stöcklin-Meier (2004, S. 16) erläutert:
Die Nadel sagt zum Luftballon:
„Du bist rund, und ich bin spitz!
Jetzt machen wir beide einen Witz.
Ich weiß ein lustig Schnätteretäng
ich mache pick,
und du machst päng!“
Dieses Fingerspiel eignet sich sehr gut, wenn sich eine
Kindergruppe im Alter von zwei bis sechs Jahren im Kindergarten neu findet. Beim gemeinsamen Spiel kann eine lustige, gelöste Atmosphäre entstehen, die durch den entsprechenden methodischen Ablauf eine Kontaktaufnahme zueinander ermöglicht und in eine Spielgestaltung miteinander mündet. Auch die Erzieherin selbst kann durch den Einsatz dieses Reimes
Kontakt zu den Kindern aufbauen. Durch die Kürze des Textes werden neue Kinder in ihrem Konzentrationsvermögen nicht überstrapaziert und auch jüngeren Kindern wird ermöglicht, an dieser Gruppenerfahrung teilzunehmen (Dauer des Angebotes ca. 20 Minuten).
Der Morgenkreis/Stuhlkreis eignet sich als Ort für die Einführung des Fingerspiels sehr gut. Als Vorbereitung zu Hause richtet sich die Erzieherin alle Materialien (Stopfnadel und Nadelkissen; Luftballons und ein Tuch als Mitte) und lernt das Fingerspiel auswendig.
Als
Einstieg kündigt die Erzieherin den Kindern an, dass sie ein neues Fingerspiel vorstellen möchte. Bei dem Fingerspiel geht es um zwei Gegenstände. Zum einen um die Nadel, die in einem Nadelkissen der Gruppe gezeigt wird. Im Betrachten und Anfassen weist die Erzieherin darauf hin, dass die Nadel spitz ist. Den zweiten Gegenstand sollen die Kinder akustisch erraten – und üben nichts zu verraten: Die Erzieherin pustet den Luftballon, den sie aus ihrer Hosentasche geholt hat, in ihren eigenen Händen langsam auf und lässt die Luft wieder langsam aus dem Ballon. Die Kinder raten, was sie gehört haben – einen runden Luftballon.
Die Erzieherin kündigt nun an, dass die
Nadel und der Luftballon ein Spiel miteinander spielen – „Was könnte denn da passieren?“ Die Erzieherin stellt das Fingerspiel langsam und ausdrucksstark der Kindergruppe vor.
Text | Bewegung |
Die Nadel sagt zum Luftballon: | Linke Hand streckt den Zeigefinger als Nadel hoch. |
| Rechte Hand stellt mit dem Daumen und den Fingern einen Luftballon (Kreis) dar. |
„Du bist rund, und ich bin spitz!" | „Nadel“ zeigt zum „Luftballon“ |
Jetzt machen wir beide einen Witz. Ich weiß ein lustig Schnätteretäng ich mache pick, | „Nadel“ sticht in den „Luftballon“ |
und du machst päng!“ | Beide Hände klatschen zusammen. |
In der Wiederholung und Steigerung des Fingerspiels werden jeweils zwei Kinder zusammenspielen. Ein Kind spielt die Nadel, – ein anderes den Luftballon. Das Kind, das den Luftballon spielt, pustet imaginär seinen „Fingerluftballon“ auf. Der Fingerspieltext wird wiederholt, und die einzelnen Rollen (Nadel/Luftballon) werden jeweils gespielt. Das „Päng“ am Ende wird durch das gemeinsame Klatschen dargestellt. Evtl. Wiederholung mit wechselnden Rollen.
Zum Abschluss spielt die gesamte Kindergruppe das Fingerspiel als Rollenspiel. Alle sind der Luftballon. Es werden „ein Luftballonaufpuster“ und „eine Nadel“ als Rolle extra besetzt. Diese Kinder sollen sich an der Seite des Raumes positionieren. Die Kindergruppe steht auf, hält sich an den Händen und geht an den freien Platz im Raum. Sie stehen ganz eng zusammen, bis der „Luftballonaufpuster“ sie „aufpustet“. Ganz langsam wird die Kindergruppe größer. Der Fingerspieltext wird gemeinsam gesprochen: „Die Nadel sprach zum Luftballon“. Nun spricht die „Nadel“ (evtl. mit Hilfe der Erzieherin): „Du bist rund und ich bin spitz. Komm, wir machen einen Witz. Da gibt´s ein lustig Schnätteretäng. Ich mache pick und du machst päng!“ Bei „päng“ platzt der Luftballon – also die gesamte Kindergruppe hüpft und lässt sich zu Boden fallen.
Die Freude, der Spaß und die Fröhlichkeit der Kindergruppe lässt sich sicherlich leicht vorstellen. Aber wie sieht es mit
der Sprachförderung aus?
Die Kinder erweitern und festigen ihren
Wortschatz zum Beispiel
- durch Substantive wie „Nadel“; „Luftballon“ und „Witz“;
- durch Adjektive wie „rund“ und „spitz“ und
- durch einfache Verben in verschiedenen Beugungen: „sagen“; „sein“; „kommen“ und „machen“.
Dass das Wort „Witz“ etwas mit Lachen zu tun hat, ist vielleicht noch nicht allen Kindergartenkindern klar und bedeutet deshalb eine Einführung der Wortbedeutung und eine Wortschatzerweiterung. Auch die Personalpronomen „ich“ und „du“ (1. und 2. Person Singular) sind im Fingerspiel festzustellen. Das Wort „Schnätteretäng“ ist ein Fantasiewort, das lautmalerisch eingesetzt wird.
Im Fingerspiel steht
grammatikalisch gesehen im Präsens (Gegenwartsform): „sagen“ wird in „sagt“ verwandelt (3. Person Singular), anschließend folgt im Text die wörtliche Rede. Weitere Verben werden entsprechend der Beugung (Konjugation) im Text gebildet: „machen“ = „ich mach(e)“, „du machst“ oder „sein“ = „ich bin“, „du bist“.
In Bezug auf den Satzbau sind im Text kurze Hauptsätze und ein Imperativsatz (Aufforderungssatz) enthalten: „Komm, wir machen einen Witz!“ Zudem werden zwei Hauptsätze mit „und“ verbunden „Du bist rund und ich bin spitz“ und „ich mache pick und du machst päng!“
Von der
Artikulation her wird in diesem Reim mit den Lauten und der Sprache gespielt und das Zerplatzen des Luftballons sprachlich aufgegriffen „Schnätteretäng“. Die Anlautverbindung „spr“ bei „sprach“ und „sp“ bei „spitz“ sowie die vielen Zischlaute, die im Spruch vorkommen, stellen wahrscheinlich eine Herausforderung für die Kinder dar. So kann das Fingerspiel dazu dienen, die Aussprache zu üben und zu fördern.
Durch das Fingerspiel werden insbesondere die Merkfähigkeit und die Konzentration gefördert. Da der Text sehr kurz ist und eine klare Handlungsstruktur hat, können die Kinder schon nach kurzer Zeit das Fingerspiel mitsprechen.
In einer
positiven Lernatmosphäre lernt sich die Sprache viel leichter und wird besser verankert. Die Hirnforschung zeigt, dass das Gehirn das Erlernte je nach Stimmung und Gefühlslage an unterschiedliche Schaltstellen leitet: in einer gelösten, neugierigen, freudigen Stimmung wird das neu Erlernte im Hippocampus gespeichert; in einer stressigen, frustrierenden oder ängstlichen Stimmung kommt das Neue in den Mandelkern. Das hat - je nachdem wo es gespeichert wird - Auswirkungen für den weiteren Gebrauch des Gelernten. Der Mandelkern ist nämlich das sog. „Panikzentrum“, das Flucht- und Kampfreaktionen steuert. Alles, was dort abgespeichert ist, können wir schnell, ohne lange nachzudenken – aber nur eindimensional anwenden. Für das Herstellen von Bezügen, Analogien, Transfer- oder Querverbindungen eignet sich dieses Gehirnareal nicht. Ebenso wenig wie für einen kreativen oder komplexen Einsatz – wie es gerade in der Sprachanwendung gebraucht ist.
Es ist also notwendig, dass das neue Wissen den Weg in den Hippocampus findet. Und dafür braucht es eine angstfreie und möglichst fröhliche Lernatmosphäre. Also greifen Sie zu Nadel und Luftballon!