Der Alltag und die Umgebung unserer Kinder werden zunehmend stressiger und ärmer an Erfahrungsfreiräumen. Das hat alarmierende Auswirkungen auf ihre körperliche und seelisch-geistige Entwicklung. Naturpädagogik antwortet auf diesen Missstand mit vielseitigen kindgerechten Entfaltungsmöglichkeiten.
Wir kennen es aus eigener Erfahrung, dass Draußen-Aktivitäten rundum guttun. Dies wird von zahlreichen wissenschaftlichen Forschungen bestätigt, hier einige Beispiele:
- Die saubere Luft, sowie die Duftstoffe der Bäume (Terpene u.a.) stärken unser Immunsystem und verringern Stresshormone.
- Im Tageslicht wird das „Glückshormon“ Serotonin gebildet für Antriebssteigerung.
- Und Tageslicht mindert die Gefahr von Kurzsichtigkeit.
- Die Bewegungsvielfalt stärkt die Körperhaltung und Geschicklichkeit, senkt das Unfallrisiko und trainiert den Gleichgewichtssinn.
- Natur bietet ständig Anlässe für Persönlichkeitsentwicklung und für Sachwissen.
- Versunkenes Spielen und Achtsamkeit werden gestärkt durch die atmosphärische Ruhe vieler Naturorte, durch Entschleunigung und durch ästhetische Qualitäten. Gefühle wie Dankbarkeit und Ehrfurcht sind hier häufig erlebbar.
Ein Merkmal des Spielens in der Natur ist die äußere Einfachheit verbunden mit einem inneren Reichtum und dessen hohe pädagogische Qualität:
- Naturmaterial lässt Kinder selbstbestimmt tätig sein. Denn Natur stellt ihren Reichtum zur Verfügung ohne Bedienungsanleitung und ohne Programm.
- Jedes Kind findet altersgemäßes Material zum Forschen, Spielen und Gestalten.
- Alle Sinne werden angeregt mit einer Vielfalt an Formen, Oberflächen, Größen, Gewichten, Farben, Festigkeiten, Temperaturen, Klängen, Geschmacks- und Geruchsvarianten. Jeder Stein und jeder Stock ist anders!
- Natur motiviert Kinder, sich vielfältig zu bewegen, zu experimentieren und durch das freilassende Spielmaterial häufig zu kommunizieren.
- Das Material regt die Fantasie an, ein wichtiger Teil menschlicher Intelligenz.
- Alles in der Natur hat seine Aufgabe in einem Sinngefüge. Es bekommt nicht erst durch das Kind einen Sinn (wie das meiste Spielzeug). Dadurch leben sich Kinder in gegebene Sinn-Zusammenhänge ein, was Grundvertrauen und Resilienz stärkt.
- Das Spielmaterial bietet echte Wirklichkeitserfahrung, und es lehrt Lebenskenntnisse, z.B. die Dauer von Wachstumsprozessen, die Metamorphose (Raupe zum Schmetterling, Buchecker zur Buche usw.), ein Miteinander von Leben und Sterben.
Das Lernen draußen in der Natur hat Vorteile, gerade auch für den frühkindlichen Spracherwerb: Ein erhöhter Sauerstoffaustausch im Gehirn, das Zusammenwirken der Bewegungs- und Lernzentren, intensive Erlebnisse als Sprachanlässe, sowie die Ruhe und konzentrierte Atmosphäre in der Natur.
„Natur ist für Kinder so essenziell wie gute Ernährung. Sie ist ihr angestammter Entwicklungsraum. Hier stoßen die Kinder auf vier für ihre Entwicklung unverhandelbare Quellen: Freiheit, Unmittelbarkeit, Widerständigkeit, Bezogenheit. Aus diesen Erfahrungen bauen sie das Fundament, das ihr Leben trägt.“ (H. Renz-Polster/G. Hüther. 2013. S. 9)Auch Kinder in den ersten 3 Lebensjahren sind in der Natur bestens aufgehoben, wenn wir ihre Bedürfnisse beachten und Plätze, Ablauf und Gruppen altersgemäß auswählen.
- Die Kleinsten haben ein starkes emotionales Sicherheitsbedürfnis, was wir durch die sogenannten „5 R“ abdecken können: Rückbindung, Ruhe, Rhythmus, Rituale und Regeln. Verlässlichkeit und Wiederholung sind dabei wichtig in der Begleitung, im Programm und mit festen Plätzen.
- Die Körperpflege braucht weitgehend unsere Unterstützung, z.B. beim Wickeln, Händewaschen, An- und Ausziehen.
- Die Kinder sind kälteempfindlich und schneller ermüdet, was geeignete Rückzugsräume und Pausen erfordert.
- Der Bewegungsradius und die Ausdauer, sowie das handwerkliche Geschick sind geringer als bei älteren Kindern.
- Lernprozesse geschehen weitgehend durch Körper- und Sinnes-Erfahrungen, wobei die Nachahmung von sichtbaren Vorbildern wesentlich ist.
- Ihr sprachliches Verstehen ist konkret sinnesbezogen, weniger abstrakt.
- Sie können kaum zeitliche Abstände einschätzen, Warten fällt schwer.
- Sie spielen meistens einzeln und beginnen erst mit dem gemeinsamen Spielen.
- Fantasie-Spiel und Rollen-Spiel entwickeln sich ab dem 3. Lebensjahr.
Wenn wir mit den Kleinsten rausgehen, sollten wir die Gefahren in der Natur kennen:
Giftpflanzen, Dornen, Steinbrüche, unbefestigte Ufer, Wetterumschwung u.Ä. Dem Schutz vor Zecken, sowie vor Kälte, Nässe oder Sonne dienen ausgewählte Plätze und eine angemessene Kleidung mit Matschhose, guten Schuhen, langen Ärmeln und Hosenbeinen und Kopfbedeckung.
In der Fachliteratur finden wir vielfältige, praxiserprobte Tipps zur Sicherheit, Hygiene, Ernährung und Kleidung draußen, zur Auswahl geeigneter Plätze, Tagesabläufe, Gestaltungselemente und zu einer altersgemäßen Naturkunde.
Kinder in den ersten Lebensjahren brauchen vor allem Zeit für selbstbestimmtes Spielen und Forschen: Mit Stöcken im Boden stochern, Steine in den Bach werfen, Blätter schwimmen lassen, Nadeln in Insektenlöcher im Baumstamm stecken, mit Stöcken trommeln, einen Zapfen auseinanderpuhlen, die weiße Haut der Birkenrinde abziehen, über liegende Baumstämme klettern, auf einem Baumstumpf Flugzeug oder Mähdrescher spielen...
Zwei- und Dreijährige freuen sich neben dem Freien Spielen über kleine Angebote:
- Naturbilder: Wir drücken lehmige Erde oder doppelseitiges Klebeband auf ein trockenes Holzstück oder Kartonpapier. Dann sammeln wir Blätter, Blüten, Nadeln, Rindenstückchen u.Ä. und kleben sie darauf zu einem fantasievollen Bild.
- Schnecken: Wir formen einen Schneckenkörper aus Lehmerde und setzen gesammelte Schneckenhäuschen darauf.
- „Waldi“: An Fichtenzapfen oder Stöckchen knoten wir ein 1m langes Seil und binden eine Schlaufe zum Festhalten. Das ist „Waldi“- der Hund für alle Kinder, oder sie spielen damit Angel, Skilift, Boot, lassen ihn schwingen und fliegen usw.
- Kugelbahn: Ein von Hindernissen freigeräumter Hang dient als Rollbahn für Kugeln aus feuchter Erde, für runde Steine oder Kastanien.
- Zwergenhäuschen: Wir bauen ein ca. 30 cm hohes Gerüst aus verzweigten Ästen und bedecken dieses dann mit Reisig, Rindenstückchen und Blättern; Türe nicht vergessen. Kiefern- oder Fichtenzapfen sind die Zwerge. Ein Stein als Tisch, Nuss-Schalen als Becher, ein Bett aus Blättern, - schon ist das Haus bewohnbar.
- Kochtopf: In einem hohlen Baumstumpf wird eine Suppe angerührt: Mit Erde, Nadeln, Laub, Flechten, Moos...und einem Rührstock, serviert wird auf Rindentellern.
- Masken oder Mandalas an Bäumen: Wir sammeln Schnee oder feuchte Erde und drücken sie an einen Baumstamm. Diese Grundfläche wird mit Pflanzen ausgestaltet.
- Holunderperlen: Fingerdicke Äste vom Schwarzen Holunder schneiden wir in 0,5-2 cm lange Stücke und bohren mit dünnen Stöckchen das weiche Mark im Inneren heraus. Diese Perlen fädeln wir auf feste Grashalme oder Schnur für Ketten, Kränze, Schlangen, Würmer usw.
- Löwenzahn-Ringel: Die Stängel von Löwenzahn ritzen wir oben und unten ein und legen sie in Wasser. Dort ringeln sich die Stängel zu fantasievollen Gestalten.
- Blüten-Tatoo: Wir streichen Vaseline auf den Handrücken oder die Wangen und kleben Blüten und Blättchen zu einem Muster darauf.