Heike Schnurr: >>Gewalt, Machtmissbrauch, entwürdigende Erziehungsmethoden durch pädagogische Fachkräfte – Was können Kolleg*innen dagegen tun?<< (Januar 2024))

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Fallbeispiel:
Frau Müller, Erzieherin in der Kita Rabennest, hat ihre eigenen Erziehungsmethoden: Wer beim Mittagessen nicht aufisst, muss so lange am Tisch sitzen bleiben, bis
der Teller leer gegessen ist. Wer kein Gemüse probiert, bekommt keinen Nachtisch. Und zum Schlafen packt sie die Kinder in einen Schlafsack und dann ins
Gitterbettchen, damit sie nicht ständig den Schlafraum verlassen.

Wie sollten sich Erzieher*innen verhalten, wenn ihnen Verhaltensweisen ihrer Kolleg*innen auffallen, die gegen die eigenen pädagogischen Überzeugungen oder
pädagogische Standards verstoßen?

Kinder, wie im Fallbeispiel, zum Aufessen oder zum Schlafen zu zwingen, sie beim Schlafen zu fixieren, einzusperren oder sie vor anderen Kindern lächerlich zu
machen, verstößt nicht nur gegen allgemeine pädagogische Standards, sondern auch gegen gesetzliche Vorschriften (vgl. §1631 Abs. 2 BGB, §§239, 240 StGB).
Gemäß §1631 Abs. 2 BGB sind sowohl körperliche Bestrafungen und das Einsperren der Kinder als auch seelische Verletzungen und sämtliche entwürdigende
Erziehungsmaßnahmen unzulässig.

Kollegiales Gespräch
Auch wenn es nicht einfach sein wird, sollte zunächst versucht werden, mit der Kollegin in ruhiger und geschützter Umgebung über das beobachtete Verhalten zu
sprechen.

Wenn Gespräche über problematische Erziehungsmethoden zwecklos sind oder fruchtlos bleiben, weil die jeweiligen pädagogischen Überzeugungen zu weit
auseinander liegen, dürfen pädagogische Fachkräfte problematisches Verhalten ihrer Kolleg*innen im Umgang mit den Kindern nicht einfach dulden.
Erzieher*innen 
sind aufgrund ihres Schutzauftrages verpflichtet, tätig zu werden. Zwang, körperliche Übergriffe oder herabwürdigende Erziehungsmethoden dürfen sie nicht
hinnehmen.

Gespräch mit der Kita-Leitung
Sie sind dann verpflichtet, das Verhalten, das Sie beobachtet haben, der Kita-Leitung weiterzugeben.

Dokumentation
Zuvor empfiehlt es sich, regelmäßig zu notieren, wann welches Verhalten der Kolleg*innen aufgefallen ist. Diese sachliche Dokumentation der Vorfälle hilft,
persönliche Eindrücke zu objektivieren und später Beobachtungen genau zu schildern, ohne Ereignisse versehentlich wegzulassen oder hinzuzufügen.

Weiteres Vorgehen der Kita-Leitung
Die Kita-Leitung sollte dann in Absprache mit dem Träger und gegebenenfalls mit einer insoweit erfahrenen Fachkraft, ein Gespräch mit der Erzieherin führen und
dann das weitere Vorgehen entscheiden. Es könnten geeignete Fortbildungen angeboten werden oder aber auch arbeitsrechtliche, gegebenenfalls strafrechtliche
Konsequenzen folgen. Die Kita-Leitung sollte darauf hinwirken, dass sich die Fachkraft für ihr Verhalten beim betroffenen Kind entschuldigt. Im Kita-Team sollte
gemeinsam ein Verhaltenskodex für einen fachlichen und respektvollen Umgang mit den Kindern erarbeitet werden.

Kita-Leitung bleibt untätig
Schwierig wird die Situation, wenn die Kita-Leitung nicht tätig wird, weil sie das Verhalten der Kollegin deckt oder vielleicht auch selbst unangemessenes Verhalten
im Umgang mit den Kindern zeigt. In diesem Fall sollten pädagogische Fachkräfte den Mut finden, sich an den Träger der Kita zu wenden, auch wenn dadurch die
weitere Zusammenarbeit in der Kita künftig belastet oder eventuell sogar unmöglich wird. Sie sollten den Träger darum bitten, das Gespräch vertraulich zu
behandeln.

Träger der Kita bleibt untätig
Sollte auch der Träger keine weiteren Schritte veranlassen, können Sie sich direkt an das Jugendamt, bzw. an die jeweilige Aufsichtsbehörde wenden. Diese ist
verpflichtet, Hinweisen auf Mängel in einer Einrichtung nachzugehen und zum Schutz der Kinder tätig zu werden.

Zugegeben, es ist nicht einfach, die notwendigen Schritte gegen eine Kollegin/einen Kollegen zu veranlassen, insbesondere dann, wenn Sie von der Kita-Leitung
keine Unterstützung erfahren. Doch Kinder brauchen Erzieher*innen, die sie schützen. Wenn Sie untätig blieben, wären Sie rechtlich verantwortlich, denn Sie sind
auf Grund Ihres Schutzauftrages verpflichtet, tätig zu werden, wenn Kinder in Ihrer Kita Gewalt, körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen oder andere
entwürdigende Erziehungsmaßnahmen erleiden.

Verhaltensampel für pädagogische Fachkräfte