Angesichts gravierender aktueller Umweltprobleme und zahlreicher düsterer Zukunftsprognosen ist die Frage nach einem umweltfreundlicheren Lebensstil drängender als jemals zuvor. Wir sind im Begriff zu erkennen, dass uns vor allem Effekte und Rückkopplungsprozesse einer von Menschen übernutzten und geschädigten Natur bedrohen. Vor diesem Hintergrund bedeutet Natur- und Umweltschutz in allererster Linie Schutz der Umwelt um unserer selbst willen. Dabei ist regionaler Umweltschutz ebenso wichtig wie globale Bemühungen wie etwas im Zusammenhang mit dem Klimaschutz. Dabei wird deutlich, dass unser Verhältnis zur Umwelt von zahlreichen Faktoren bestimmt und beeinflusst wird. Persönliche Wertmaßstäbe und Empfindungen sowie die Bedeutung, die Natur und Umwelt insgesamt für einen Menschen besitzt, üben einen besonders großen Einfluss aus. Es geht im Eigentlichen um ein Beziehungsverhältnis. Nur das, was wir auch schätzen, wollen wir auch schützen. Aber wir können etwas nur schätzen, wenn wir dazu auch eine (positive) Beziehung haben. Solche Beziehungen wiederum entstehen in ganz entscheidender Weise in der Kindheit.
Kinder – unsere Hoffnungsträger?
Der Blick auf eine bedrohte und gleichzeitig zunehmend uns Menschen bedrohende Umwelt spiegelt sich auch in der aktuellen Umweltpädagogik. Neben naturkundlichen Themen im engeren Sinn wie das Kennenlernen heimischer Tiere, Pflanzen und deren Lebenswelten spielen heute längst Fragen ökologischer Wirkungen und Wechselwirkungen eine entscheidende Rolle: Konsum und Ernährung, der Umgang mit begrenzten Ressourcen, Abfall und Müll, unser Verkehrs- und Freizeitverhalten etc. müssen wir heute nicht zuletzt vor dem Hintergrund einer globalen Umweltkrise diskutieren und bewerten: als Verursacher, Betroffene und – hoffentlich auch – Bewältiger der Umweltkrise. Dabei setzen wir – ob wir es aussprechen oder nicht – vor allem in unsere Kinder große Hoffnungen. Solange wir dabei unsere eigenen Verpflichtungen und Handlungsoptionen nicht vernachlässigen, ist dagegen auch nichts zu sagen. Wichtig erscheint allerdings zweierlei:
Da sich die Bezehung eines Menschen zu seiner Umwelt vor allem in der Kindheit entwickelt, sollten wir Kindern möglichst viele positive und unmittelbare Naturerfahrungen ermöglichen.
Gleichzeitig sollten wir darauf achten, Kinder auch in diesem Bereich nicht zu überfordern. Und wir sollten in die Effekte der Umweltpädagogik insgesamt keine zu hohen Erwartungen legen. Umweltfreundliches Verhalten hängt von vielen Faktoren ab.
Umweltlernen von Kindern braucht emotional befriedigende Erlebnisse. Umweltpsychologische Erkenntnisse machen deutlich, dass positive Umwelterfahrungen am stärksten zur Entwicklung umweltfreundlichen Verhaltens beitragen. Daher verzeichnet Natur- und Umweltpädagogik dort die meisten Erfolge, wo ein bestimmtes Thema für alle Beteiligten interessant ist, Neugier, Aufmerksamkeit und vielleicht sogar Begeisterung weckt. Es geht dabei nicht nur um die Kinder, sondern ebenso sehr auch um uns Erwachsene. Das Vorbild, das wir Kindern geben, ist vielleicht auch hier der wichtigste Impuls, den wir geben können.
Komplexe Erkenntnisse der Umweltpsychologie
Wenn wir uns fragen, wodurch Umweltbewusstsein und umweltfreundliche Verhaltensweisen bestimmt werden, stoßen wir rasch auf zahlreiche Beobachtungen, die nicht selten widersprüchlich wirken:
Immer mehr Menschen ist heute bewusst, dass Umweltschutz und Gesundheit eng miteinander verknüpft sind. Damit steigt die Bereitschaft, sich mindestens im unmittelbaren eigenen Umfeld für den Erhalt von Umwelt und Natur einzusetzen. Dennoch besteht zwischen Umweltbewusstsein (im Sinne von "Umwelt-Problem-Bewusstsein") und konkretem Umwelthandeln nach wie vor eine deutliche Kluft. Längst nicht jeder, der für sich Umweltbewusstsein in Anspruch nimmt, handelt auch danach.
Umweltbezogenes Verhalten ist sowohl in verschiedenen Gruppen als auch auf individueller Ebene sehr unterschiedlich ausgeprägt: Niemand handelt gleichermaßen umweltfreundlich.
Am schwierigsten ist der Umgang mit Umweltproblemen dort, wor sie zeitlich nicht fassbar sind, weil sich mögliche Schäden erst zu einem späteren Zeitpunkt zeigen und damit nahezu unvorstellbar sind.
Persönliche Betroffenheit und emotionale Nähe zu einem bestimmten Sachverhalt bewirken in der Regel das stärkste Engagement für Umwelt und Natur (nachhaltige Verhaltensänderungen).
Kinder und Jugendliche, die frühzeitig mit Umweltthemen in Berührung kommen, entwickeln ein nachhaltiges Interesse an diesen Themen. Entscheidend ist dabei, dass konkrete Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt und eingeübt werden können (handlungsorientierte und längerfristige Umweltprojekte).
Bereits diese knappe Auflistung zeigt eine große Bandbreite an Themen und Fragen, mit denen sich insbesondere die Umweltpsychologie auseinandersetzt. Auch ist dabei zu berücksichtigen, dass bereits der Begriff Umweltbewusstsein sehr unterschiedlich verstanden werden kann. Meinen wir damit lediglich ein bestimmtes Umweltwissen oder beziehen wir auch umweltbezogene Wertvorstellungen und bestimmte Verhaltensabsichten ein? Oder wollen wir von Umweltbewusstsein erst dann sprechen, wenn damit auch konkretes umweltfreundliches Verhalten verbunden ist? Umweltwissen, entsprechende Wertvorstellungen und sogar erklärte Verhaltensabsichten bedeuten nämlich noch lange nicht, dass sich der betreffende Mensch auch wirklich umweltfreundlich verhält.
Umwelterziehung als lohnende Herausforderung
So, wie sich im allgemeinen Umweltbewusstsein zwischen Denken und Handeln eine manchmal große Kluft zeigt, gibt es auch in der Umweltpädagogik mitunter große Unterschiede zwischen anspruchsvollen Zielsetzungen und Absichtserklärungen auf der einen Seite und der Umsetzung dieser Ansprüche auf der anderen Seite. So heißt es etwa im Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplan (Fthenakis, 2007), dass "Umweltbildung und -erziehung (...) traditionell ihren Ausgang von der Naturbegegnung, von Erlebnissen mit Tieren und Pflanzen (nimmt)", gleichzeitig heute aber auch insbesondere Fragen des Mensch-Natur-Verhältnisses berücksichtigt werden müssten: "Was verstehe ich unter Umwelt? Welchen Wert messe ich ihr zu? Welche Rolle nehme ich ihr gegenüber ein? Mit der Beantwortung dieser Fragen ist Umweltbildung heute mit der Entwicklung von Werthaltungen verbunden." (Fthenakis, 2007, S. 292) Mit der Darstellung entsprechender "pädagogischer Leitlinien" wie etwa dem "Prinzip der Entwicklungsangemessenheit", dem "exemplarischen Lernen" und der "Mitwirkung der Kinder" werden pädagogischen Fachkräften auch zahlreiche Beispiele und Handlungsanleitungen genannt. Darunter fallen sowohl "Alltagshandlungen, in denen umweltfreundliche Haltungen zum Tragen kommen" als auch Empfehlungen für längerfristige Projekte wie "Umgestaltung des Gartens" und vieles andere mehr (vgl. Fthenakis, 2007, S. 295ff.). Das breite Tätigkeitsspektrum sowie die unterschiedlichen konzeptionellen Ausrichtungen der Kindertageseinrichtungen bringen es mit sich, dass die Umsetzung umweltpädagogischer Inhalte in der praktischen Arbeit mit Kindern seht unterschiedlich ausfällt. Das gilt sowohl für den zeitlichen Umfang, der solchen Themen gewidmet wird, als auch für die Qualität dieser Arbeit, die man an Aspekten wie Themenvielfalt, Schaffung von und Bezug auf spezielle Anreize für Kinder und Auswahl besonders geeigneter Methoden festmachen könnte. Während in vielen Einrichtungen Umweltthemen noch in eher traditioneller Weise wie gemeinsames Singen von Liedern über Regen, Sonne und Vögeln, Sammeln bunter Blätter im Herbst und Grasaussaat in Töpfen zu Ostern erfolgt, führen andere Einrichtungen Kinder an ein sehr viel umfangreicheres Repertoire an Umwelterfahrungen heran: regelmäßige Ausflüge in nahe gelegene Waldgebiete und Erkundungen von Pflanzen und Tieren in Feuchtbiotopen, Hinzuziehung externer Experten wie Förster, Biologen und Geologen bei speziellen Umweltprojekten, gezielte Entwicklung und Nutzung des Außengeländes der Einrichtung als Raum, in dem die Kinder ganzjährig und bei jeder Witterung Naturerfahrungen machen können.
Die Vielfalt der vorgestellten Themen kann allzu anspruchsvoll oder gar überfordernd wirken, aber es geht keinesfalls darum, sich mit allen diesen Themen zu beschäftigen. Und es ist in der Praxis meist nicht einmal möglich, einzelne Themenbereiche intensiver auszuloten. Viel wichtiger ist es, dass eine Erzieherin oder ein Erzieher sicht für etwas entscheidet, was sie/ihn selbst interessiert, vielleicht sogar fasziniert. Die eigene Begeisterung hilft mehr als alles andere, die betreffenden Kinder an eine bestimmte Thematik heranzuführen. Dabei spielt auch die Situation innerhalb des pädagogischen Teams eine große Rolle. Wie in anderen Bereichen auch lassen sich umweltpädagogische Zielsetzungen und Vorhaben sehr viel besser realisieren, wenn das jeweilige Team mehr oder weniger geschlossen und engagiert dahinter steht.
Fazit
Für eine sinnvolle und erfolgreiche Umweltpädagogik ist beides von Bedeutung: Sensibilität gegenüber der Notwendigkeit, unsere Umwelt stärker als bisher zu schützen und das Wissen um die Schwierigkeiten, aus Umweltbewusstsein konkretes Umwelthandeln werden zu lassen. Das individuelle Umweltbewusstsein der pädagogischen Fachkräfte spielt dabei eine entscheidende Rolle, denn die Erwachsenen bestimmen darüber, ob und in welcher Weise umweltpädagogische Inhalte und Methoden in einer bestimmten Kita umgesetzt werden. Dabei ist keinesfalls nur an ein bestimmtes Umweltwissen der betreffenden Personen zu denken, sondern mindestens so sehr an ihre Einstellung gegenüber Umweltfragen, ihre "innere Nähe" zu Pflanzen und Tieren, Natur- und Umweltschutz. Wer darin aber nur zusätzliche Anforderungen und Belastungen sieht, irrt: Es zeigt sich immer wieder, dass vor allem diejenigen Erzieher/-innen, die mit Kindern häufig Umweltthemen aufgreifen, darin auch für sich selbst interessante Veränderungs- und Entwicklungspotenziale entdecken und eine größere Arbeitszufriedenheit finden. Anspruchsvolle Aufgabenstellungen haben eben auch das Potenzial, uns anzuregen und psychisch zu stärken.
Fthenakis, Wassilios E. (Hrsg.): Der Bayerische Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder in Tageseinrichtungen bis zur Einschulung. Berlin: Cornelsen Scriptor, 2007.
Landeshauptstadt München, Sozialreferat (Hrsg.): Die pädagogische Rahmenkonzeption für Kinderkrippen der Landeshauptstadt München. München: Eigenverlag, 2008.
Über den Autor:
Herbert Österreicher, Dipl. Ing. (FH), Mag. art., München. Freiberuflicher Planer von Gärten und Freiflächen, Dozent und Seminarleiter in verschiedenen Bereichen der Umweltbildung, publizistische Tätigkeit; Gartenbau-Studium an der FH Weihenstephan, 2009 Abschluss eines Magisterstudiums der Kultur- und Sozialwissenschaften an der Fernuniversität Hagen im Schwerpunktbereich Ökologische Psychologie. Arbeitsschwerpunkte: Planung und Gestaltung von Außenanlagen an Kindertageseinrichtungen, Veröffentlichungen zur Umweltbildung im Vorschulbereich. Weitere Informationen unter: www.kinderfreiland.de
Im Bildungsverlag EINS sind folgende Titel des Autors erschienen: