Neuordnung der Berufsausbildung zu Kaufleuten für Groß- und Außenhandelsmanagement
Notwendigkeit der Neuordnung
Die Neuordnung der Ausbildung im Groß- und Außenhandel war erforderlich, weil sich die Anforderungen an die Beschäftigten im Groß- und Außenhandel durch die Entwicklungen im Groß- und Außenhandel seit der letzten Neuordnung im Jahr 2006 erheblich verändert haben.→ Die innerbetriebliche Digitalisierung im Groß- und Außenhandel hat erheblich an Bedeutung gewonnen: Es erfolgt ein immer konsequenteres Denken in Geschäftsprozessen. Alle Tätigkeiten in Geschäftsprozessen werden systematisch durch ERP-Systeme und Warenwirtschaftssysteme unterstützt.
→ Die Digitalisierung macht auch nicht Halt vor dem Austausch mit Geschäftspartnern. Der Kontakt zu Lieferanten und Kunden erfolgt immer mehr auf
elektronischem Weg. Die Groß- und Außenhandelsunternehmen treten auf den Beschaffungsmärkten und Absatzmärkten als E-Commerce-Teilnehmer auf.
→ Der hohe Innovationsdruck im Groß- und Außenhandel sorgt dafür, dass im Bereich der Arbeitsweisen Mitarbeiter immer weniger als Sachbearbeiter, sondern immer mehr als Fallbearbeiter auftreten. Dabei geht der Trend zum Projektmanagement. Und selbst beim Projektmanagement gibt es neue Entwicklungen: Das agile Projektmanagement ersetzt klassische Formen.
→ Der Groß- und Außenhandel ist mittlerweile gezwungen viele Geschäftsprozesse systematisch vom Kunden her zu denken: Vor diesem Hintergrund wird die Kundenorientierung, aber auch die Kommunikationsfähigkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer wichtiger.
→ Auch die Globalisierung hat einen realen Einfluss auf Groß- und Außenhandelsunternehmen: Sie können heute ohne großen Aufwand weltweit auf Beschaffungsmärkten und Absatzmärkten tätig werden.
Neue Anforderungen an die Auszubildenden
Die Auszubildenden und Beschäftigten im Groß- und Außenhandel stehen – bedingt durch diese Entwicklungen – vor neuen Anforderungen:→ Sie müssen in den Geschäftsprozessen des Groß- und Außenhandels die fortschreitende Digitalisierung sowie die wachsende Bedeutung des E-Commerce berücksichtigen.
→ Sie benötigen eine hohe Problemlösekompetenz, da in ihrem Arbeitsalltag das Lösen von Problemen immer wichtiger wird.
→ Sie müssen in der Lage sein, prozessorientierte Arbeitsabläufe durchzuführen und zu steuern.
→ Sie müssen befähigt sein, ein professionelles Projektmanagement durchzuführen.
→ Aufgrund der zunehmenden Globalisierung müssen sie Chancen des Außenhandels wahrnehmen, aber gleichzeitig dessen Risiken erkennen und möglichst vermeiden.
→ Sie müssen zwar nach wie vor über umfassende Fach- und Methodenkompetenzen verfügen, aber zunehmend immer mehr Soft Skills wie Teamarbeit, Präsentationsfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Konfliktmanagement usw. beherrschen.
Vor diesem Hintergrund ist eine veränderte Ausbildung im Groß- und Außenhandel notwendig: Neuartige Geschäftsprozesse erfordern eine neue Ausbildungsordnung und einen neuen Rahmenlehrplan für die Ausbildung im Groß- und Außenhandel.
Neue Verordnung über die Berufsausbildung zum Kaufmann für Groß- und Außenhandelsmanagement und zur Kauffrau für Groß- und Außenhandelsmanagement
Der neugeordnete Ausbildungsberuf heißt zukünftig Kaufmann/Kauffrau für Groß- und Außenhandelsmanagement. Die Ausbildungsdauer beträgt wie bisher drei Jahre.In der neuen Ausbildungsordnung wurden die Ausbildungsinhalte teilweise überarbeitet und modernisiert.
Neue Schwerpunkte der Berufsausbildung zum Kaufmann/zur Kauffrau für Groß- und Außenhandelsmanagement sind:
- Waren- und kundenbezogene Dienstleistungen
- Elektronische Geschäftsprozesse (E-Business)
- Datenschutz und IT-Sicherheit Projektmanagement
- Vielfalt der Vertriebskanäle einschließlich E-Commerce
- Nachhaltigkeit in Lieferketten
- Compliance
- Moderne inner- und außerbetriebliche Kommunikation
- Retourenmanagement (Fachrichtung Großhandel)
- Internationale Berufskompetenzen (Fachrichtung Außenhandel)
- Prävention im betrieblichen Arbeitsschutz
Prüfung
Die bisherige Zwischenprüfung entfällt. Die Abschlussprüfung wird als gestreckte Abschlussprüfung durchgeführt:→ Teil 1 der Abschlussprüfung wird nach 18 Monaten über Inhalte der ersten 15 Monate in dem Bereich „Organisation des Warensortiments und von Dienstleistungen“ schriftlich durchgeführt. Das Prüfungsergebnis ist Bestandteil der Endnote.
→ Teil 2 der Abschlussprüfung wird in den drei Prüfungsbereichen "Kaufmännische Steuerung von Geschäftsprozessen“, „Prozessorientierte Organisation von Großhandelsgeschäften“ (für die Fachrichtung Großhandel) oder „Prozessorientierte Organisation von Außenhandelsgeschäften“ (für die Fachrichtung Außenhandel), Wirtschafts- und Sozialkunde am Ende der Ausbildung schriftlich und in einem fallbezogenen Fachgespräch mündlich durchgeführt.
Neuer Rahmenlehrplan für den schulischen Teil der Ausbildung
Parallel zur Ausbildungsordnung wurde auch der Rahmenlehrplan für den schulischen Teil der Ausbildung überarbeitet. Die Fachrichtungen Groß- und Außenhandel werden im 1. und 2. Ausbildungsjahr gemeinsam beschult. Eine Trennung erfolgt erst im dritten Ausbildungsjahr. Im ersten Jahr ist eine gemeinsame Beschulung mit E-Commerce-Kaufleuten möglich.Die in den Lernfeldern formulierten Kompetenzen umfassen außer einem fundierten Fachwissen kommunikative Fähigkeiten, vernetztes und analytisches Denken sowie Eigeninitiative, Empathie und Teamfähigkeit.
Die Förderung des Erwerbs von Kompetenzen zum Einsatz digitaler Werkzeuge und zur Nutzung informationstechnischer Systeme entlang der gesamten Lieferkette (E-Business) ist integrativer Bestandteil aller Lernfelder.
Bei der Formulierung der Lernfelder sind die Dimensionen
- der Nachhaltigkeit - Ökonomie, Ökologie und Soziales -,
- des wirtschaftlichen Denkens,
- der soziokulturellen Unterschiede und
- der selbstbestimmten Teilhabe an der Gesellschaft
Beispiel
Die Themen „Besonderheiten von Auslandsgeschäften“ aus dem Lernfeld 2 „Aufträge kundenorientiert bearbeiten“ und „Bearbeiten von Beschaffungsvorgängen aus der EU und aus Drittländern“ aus dem Lernfeld 3 „Beschaffungsprozesse durchführen“ werden im 2. Ausbildungsjahr im Lernfeld 7 „Außenhandelsgeschäfte anbahnen“ wieder aufgegriffen und vertieft.Themen aus dem Lernfeld 7 werden im 3. Ausbildungsjahr in den Lernfeldern 12 GH „Warentransporte abwickeln“, Lernfeld 11 AH „Internationale Warentransporte abwickeln“ und Lernfeld 12 AH „Außenhandelsgeschäfte abwickeln und finanzieren“ wieder aufgegriffen, erweitert und vertieft.
Veränderungen und Neuerungen gegenüber dem alten Rahmenlehrplan
Im ersten Ausbildungsjahr gibt es vier Lernfelder.LF1: Bestimmte Inhalte aus dem Lernfeld 5 „Personalwirtschaftliche Aufgaben wahrnehmen Personalwirtschaft“ des alten Rahmenlehrplans sind in das Lernfeld 1 des neuen Rahmenlehrplans überführt worden. Im neuen Rahmenlehrplan gibt es kein eigenes Lernfeld „Personalwirtschaftliche Aufgaben“ mehr.
Neu sind im Lernfeld 1:
- rechtliche Grundlagen der Arbeitsverhältnisse
- Mitwirkung und Mitbestimmung
- Entgeltabrechnung
- Möglichkeiten der Weiterbildung
- Ausbildungs- und Arbeitsvertrag
- Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung Vorschrift 1
Ebenfalls neu aufgenommen wurde die Anwendung verbaler und nonverbale Kommunikationstechniken.
LF 2: In diesem Lernfeld geht es um die betriebswirtschaftliche Auftragsabwicklung. Anders als im Lernfeld 2 „Aufträge kundenorientiert bearbeiten“ des alten Rahmenlehrplans sind Kaufvertragsstörungen, Mahnverfahren, Verjährung und der komplette Zahlungsverkehr nicht mehr Bestandteil des neuen Lernfelds 2. Diese Themen befinden sich jetzt im neuen LF 5 „Kaufverträge erfüllen“.
Neu hinzugekommen sind im Lernfeld 2 „Aufträge kundenorientiert bearbeiten“ wichtige Themen und Inhalte wie:
- Datenmanagement (Stammdaten)
- Elektronische Kommunikation mit Kunden
- Besonderheiten von Auslandsgeschäften
- Verkaufs- und Beratungsgespräche
- Bewertung und Optimierung von Verkaufsprozessen
LF 3: Im Lernfeld 3 „Beschaffungsprozesse durchführen“ sind ebenfalls alle rechtlichen Themen ins neue Lernfeld 5 „Kaufverträge erfüllen“ geschoben worden. Das Lernfeld 3 thematisiert die betriebswirtschaftliche Seite der Beschaffung.
Hinzugekommen sind in diesem Zusammenhang bedeutsame Themen wie:
- Einbeziehung elektronischer Platt- formen
- Beauftragung von Dienstleistungen
- Tabellenkalkulation (Excel)
- Einholen von Angeboten (z. B. auf elektronischen Wegen)
LF 4: Das Lernfeld 4 mit dem Namen „Werteströme erfassen und dokumentieren“ ist inhaltlich weitgehend so geblieben wie bisher.
Ausnahmen sind:
- Inventur wird jetzt in LF 11 behandelt
- es wird ein starker Fokus auf eine Belegorientierung gelegt
Das zweite Ausbildungsjahr besteht aus fünf Lernfeldern.
LF 5: Das Lernfeld 5 „Kaufverträge erfüllen“ führt die rechtlichen Inhalte aus den früheren Lernfeldern 2 und 3 des alten Rahmenlehrplans zusammen.
Neu ist die Forderung nach Behandlung des Retouren- und Reklamationsmanagements.
LF 6: Im Lernfeld 6 „Ein Marketingkonzept entwickeln“ hat sich vordergründig zunächst nichts geändert. Berücksichtigt werden müssen jedoch explizit aktuelle Entwicklungen im Bereich des Online-Marketings.
LF 7: Das Lernfeld 7 „Außenhandelsgeschäfte anbahnen“ stellt den Versuch dar, die Außenhandelsthemen zu einem Geschäftsprozess zusammenzuführen. Die im alten Rahmenlehrplan auf verschiedene Lernfelder in den drei Ausbildungsjahren verteilten Außenhandelsthemen, die sowohl für die Fachrichtung Außenhandel als auch für die Fachrichtung Großhandel verbindlich sind, werden zusammengeführt.
LF 8: Im Lernfeld 8 „Wertströme auswerten“ geht es überwiegend um eine Analyse der durch das Rechnungswesen zur Verfügung gestellten Daten. Auch Fragen der Bewertung werden thematisiert. Es gibt einige Ähnlichkeiten mit dem Lernfeld 11 des alten Rahmenlehrplans.
LF 9: Ein ganz besonderes Lernfeld ist das Lernfeld 9 „Geschäftsprozesse mit digitalen Werkzeugen unterstützen“.
Obwohl die Digitalisierung integrativ und implizit in allen anderen Lernfeldern dort behandelt wird, wo sie eine Rolle spielt, soll die Digitalisierung noch einmal explizit in einem gesonderten, eigenständigen Lernfeld thematisiert werden.
Die Inhalte sind sehr vielfältig und vor allem für moderne Groß- und Außenhandelsbetriebe heute absolut relevant. Dies rechtfertigt – nach meiner Meinung – ein eigenständiges Lernfeld. Mit dem Lernfeld 9 wird der Versuch gemacht, statt abstrakt und schwammig über „Digitalisierung“ zu sprechen, konkrete Inhalte zu verdeutlichen, die sich nach Ansicht der Rahmenlehrplan-Kommission dahinter verbergen.
Im dritten Ausbildungsjahr erfolgt bei den Lernfeldern 11 bis 13 die Trennung in die Fachrichtungen Großhandel (GH) und Außenhandel (AH).
LF 10: Das Lernfeld 10 „Kosten- und Leistungsrechnung durchführen“ gibt es in beiden Fachrichtungen. Groß- und Außenhändler benötigen die Kosten- und Leistungsrechnung als effizientes Steuerungsinstrument.
LF 11 GH: In Lernfeld 11 „Waren lagern“ geht ein Teil des Lernfeldes 7 des alten Rahmenlehrplans auf. Im Lernfeld „Waren lagern“ geht es um die für Großhandelsunternehmen extrem wichtigen Bereiche und Abläufe im Lager.
LF 12 GH: Den anderen Teil des früheren Lernfeldes 7 findet man nun im Lernfeld 12 „Warentransporte abwickeln“. Hier geht es um die auftragsbezogene Versendung der Waren mithilfe von Frachtführern. Thematisiert werden müssen nun auch EDV-gestützte Logistiksysteme.
LF 13 GH: Die gestiegene Bedeutung des Projektmanagements kann man auch an der gestiegenen Stundenzahl für das Lernfeld 13 „Ein Projekt im Großhandel planen“ ablesen. Neben dem klassischen Projektmanagement geht es jetzt um:
- Projektmanagement in destruktiven Zeiten: Behandelt werden muss das agile Projektmanagement.
- digitale Unterstützung von Projekten: Wie arbeitet man mit Projektmanagementsoftware?
LF 12 AH: Die Inhalte des neuen Lernfelds 12 „Außenhandelsgeschäfte abwickeln und finanzieren“ wurden weitgehend aus dem Lernfeld 10 (Inhalte Außenhandel) des alten Rahmenlehrplans übernommen.
LF 13 AH: Das Lernfeld 13 „Ein Projekt im Außenhandel planen und durchführen“ des neuen Rahmenlehrplans entspricht thematisch dem Lernfeld 12 des alten Rahmenlehrplans. Der Zeitrichtwert von 40 Stunden wurde im neuen Rahmenlehrplan beibehalten.