Aus diesem Grund haben wir drei Schulen zum Thema Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) befragt, um aus erster Hand zu erfahren, wie dieses wichtige Thema in Schulen umgesetzt wird und welche Erfahrungen dabei gesammelt wurden. Diese wertvollen Einblicke sollen Ihnen als Inspirationsquelle dienen und zeigen, dass die Integration von Nachhaltigkeit in den Schulalltag machbar und lohnenswert ist.
Worum geht es für Sie bei der Bildung für nachhaltige Entwicklung?
Adalbert-Stifter Grundschule in Erlangen: Die Adalbert-Stifter-Grundschule Erlangen fokussiert sich auf die Entwicklung kreativer Problemlösungsfähigkeiten und Teamarbeit, um Kinder für eine zukunftsfähige Gesellschaft fit zu machen. Schulleiterin Beate Kuen betont, dass BNE Kindern Selbstwirksamkeit vermittelt, indem sie ermutigt werden, Fehler zu machen und daraus zu lernen. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der emotionalen Bildung, die Kinder dazu ermutigt, die Natur zu schätzen und in Harmonie mit ihr zu leben. Lehrkräfte fungieren als Begleitpersonen, die Schülerinnen und Schüler ermutigen, Probleme selbstständig zu erkennen und zu lösen, was durch praktische Projekte wie den Bau von Bienenhotels unterstützt wird. “Bildung für nachhaltige Entwicklung heißt bei uns, dass wir Lösungen für Zukunftsfragen finden und die Kinder fit machen für eine zukunftsfähige Gesellschaft.”
Freie Schule in Bröbberow: Katharina Drewes, Schulleiterin der Freien Schule Bröbberow betont den Austausch zwischen den Generationen als eine bedeutende Methode zur Förderung von BNE. Ältere Menschen teilen ihre Erfahrungen und ihr Wissen, wodurch Kinder profitieren können. Nachhaltigkeit sollte auf natürliche Weise in den Alltag integriert werden, ohne dass der Begriff explizit genannt wird. So lernen Kinder und Eltern beiläufig nachhaltige Praktiken, die zu einem festen Bestandteil ihres Lebens werden. Zudem fördert die Schule vernetztes Denken und die Fähigkeit, Lösungswege zu finden, um die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern.
Wer ist für die Umsetzung verantwortlich?
Adalbert-Stifter Grundschule in Erlangen: Beate Kuen erklärt, dass die Umsetzung mit einer vom Schulamt organisierten Kickoff-Veranstaltung begann, bei der Bildungsexpertin Margret Rasfeld involviert war. Eine Steuergruppe fungiert als Multiplikator und verbreitet die BNE-Idee innerhalb der Schule. Jede Lehrkraft ist für die Umsetzung in den Klassen verantwortlich, während die Schulleitung eine zentrale Rolle spielt. Transparenz und die Einbindung der Eltern sowie die Zusammenarbeit mit dem Schulamt und der Regierung sind ebenfalls entscheidend.
Freie Schule in Bröbberow: Katharina Drewes hebt die zentrale Rolle des Kollegiums und der Eltern bei der BNE-Umsetzung hervor. Lehrkräfte tragen durch ihre tägliche Arbeit und ihr Engagement zur Vermittlung nachhaltiger Bildungsinhalte bei. Eltern können durch die Vorstellung ihrer Berufe mit Bezug zu BNE einen direkten Verbindung zur nachhaltigen Entwicklung im Alltag schaffen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Lehrkräfteausbildung mit einem Fokus auf BNE, um sicherzustellen, dass Nachhaltigkeit kompetent und umfassend vermittelt wird. Lehrkräfte übernehmen dabei nicht nur die Rolle des Wissensvermittlers, sondern auch die des Lernbegleiters, um die Schülerinnen und Schüler zu eigenständigem Denken und nachhaltigen Lösungen zu motivieren.
Wie fließt BNE in den Schulalltag ein?
Adalbert-Stifter Grundschule in Erlangen: Eine jährliche BNE-Projektwoche bildet den Höhepunkt des Schuljahres, in der jede Klasse eines der 17 Nachhaltigkeitsziele bearbeitet und die Ergebnisse kreativ präsentiert. Die Schülerinnen und Schüler wählen anschließend fünf Ziele für die weitere Arbeit aus, wie „Leben unter Wasser“ und „Klimaschutz“. Diese Projekte werden im Schulalltag regelmäßig aufgegriffen, etwa durch den Bau eines Schulgartens oder Spendenaktionen in Kooperation mit der Tafel. Auch die Eltern sind stark involviert und unterstützen die nachhaltigen Projekte tatkräftig.
Freie Schule in Bröbberow: Hier werden spezielle Projekte und BNE-Tage organisiert, die sich an internationalen Welttagen orientieren. Diese Tage bieten den Schülerinnen und Schülern praxisnahe und interaktive Lernmöglichkeiten zu verschiedenen Aspekten der nachhaltigen Entwicklung. Regelmäßige Aktionstage, die viermal im Jahr stattfinden, widmen sich jeweils vier Zielen der nachhaltigen Entwicklung und sorgen dafür, dass BNE kontinuierlich in den Lernprozess integriert wird. Die Schule legt großen Wert auf praxisnahes Lernen, um die Themen der nachhaltigen Entwicklung greifbar und verständlich zu machen.
Welche ist für Sie als Schule bis jetzt die größte Herausforderung in Bezug auf BNE?
Adalbert-Stifter Grundschule Erlangen: Beate Kuen hebt den Perspektivenwechsel als größte Herausforderung hervor. Schülerinnen und Schüler müssen lernen, selbstständig Themen zu suchen, Fragen zu stellen und kreativ zu werden, anstatt nur vorgegebene Aufgaben zu erfüllen. Dies erfordert, dass sie Fachleute konsultieren, Informationen recherchieren und praktische Aufgaben wie Busfahrten organisieren. Lehrkräfte müssen sich in eine beobachtende und unterstützende Rolle zurückziehen, was Geduld und Mut erfordert. Die Integration von angehenden Lehrkräften in den BNE-Prozess bringt zusätzliche Herausforderungen in der Planung und Durchführung des Unterrichts mit sich. Die Schule hat Partnerschaften mit Stiftungen, Firmen und Gemeindevertretungen aufgebaut, um finanzielle und fachliche Unterstützung zu sichern.
Freie Schule Bröbberow: Katharina Drewes nennt die Bürokratie der Ämter als größte Herausforderung beim Aufbau der BNE-Modellschule. Es sei schwierig, alle bürokratischen Anforderungen zu erfüllen und gleichzeitig die pädagogischen Ziele im Blick zu behalten. Ein weiteres Problem ist, dass oft mehr über BNE geredet als tatsächlich gehandelt wird. Die Schule bemüht sich, nicht nur theoretisch über Nachhaltigkeit zu informieren, sondern konkrete Maßnahmen und Projekte umzusetzen. Die geografische Lage auf dem Land erschwert die Organisation von Exkursionen zu BNE-Orten, da die fehlende Infrastruktur den Transport der Kinder schwierig macht. Starke Einbindung der Eltern ist erforderlich, um den Schülerinnen und Schülern dennoch wichtige Erfahrungen zu bieten.
Welches war bis jetzt ihr BNE-Highlight?
Adalbert-Stifter Grundschule Erlangen: Die Präsentationswoche der BNE-Ziele ist ein besonderes Highlight. Während dieser Woche präsentierten die Schülerinnen und Schüler die Ergebnisse ihrer Projekte vor der gesamten Schulgemeinschaft, die über 1000 Mitglieder umfasst. Die Lernenden beeindruckten ihre Mitschülerschaft, Lehrkräfte, die Gemeinde und verschiedene Behörden mit ihrer Ernsthaftigkeit und Kreativität. Die überwältigende Resonanz zeigte, welche Leistungen Grundschulkinder erbringen können. Diese Präsentationswoche war ein prägendes Erlebnis für die Kinder und hinterließ einen bleibenden Eindruck bei allen Beteiligten.
Freie Schule Bröbberow: Zum einen die Veränderung des Handelns der Eltern durch den Einfluss ihrer Kinder. Es ist beeindruckend zu sehen, wie Kinder ihre Eltern zu nachhaltigem Handeln inspirieren. Zum anderen das gesteigerte Bewusstsein bei Kindern und Eltern für kritischen und bewussten Konsum. Fragen wie „Wem nutzt das?“ und „Brauche ich das wirklich?“ sind Teil der Überlegungen geworden, die den Konsum bewusster gestalten. Ein weiteres Highlight ist die Förderung der individuellen Stärken und Talente der Kinder durch die BNE-Projekte. Oft kommen unerwartete Talente und Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler zum Vorschein, was ihre persönliche Entwicklung enorm bereichert.
Was gefällt Ihren Schülerinnen und Schülern besonders bei BNE?
Adalbert-Stifter Grundschule Erlangen: Beate Kuen betont, dass den Schülerinnen und Schülern besonders das hohe Maß an Selbstbestimmung gefällt, das durch BNE ermöglicht wird. Die Freiheit, eigene Themen zu wählen und Projekte zu entwickeln, fördert ihre Kreativität und Eigenverantwortung. Dies gibt ihnen das Gefühl, aktiv zur Gestaltung ihrer eigenen Zukunft beizutragen.Ein zentrales Element der BNE sind der Klassenrat und die Schulversammlung, die als demokratische Institutionen etabliert wurden. Diese Foren bieten den Kindern die Möglichkeit, ihre Projekte vorzustellen und Erfolge zu teilen, was die Gemeinschaft stärkt und ihre Präsentationsfähigkeiten fördert.Ein praktisches Beispiel, das den Schülerinnen und Schülern besonders gefällt, ist der Schulgarten, den jede Klasse selbst pflegt. Vom Unkrautjäten bis zur Ernte lernen die Kinder hier grundlegende Kenntnisse über Pflanzen und Ernährung. Diese praktischen Erfahrungen sind für viele Kinder neu und bereichernd.Ältere Lernende schätzen auch die Möglichkeit, sich in der Gemeinschaft zu engagieren, sei es durch Besuche im Altenheim oder durch Präsentationen ihrer Projekte bei Gemeinderatssitzungen. Diese Aktivitäten stärken ihr Selbstbewusstsein und zeigen ihnen, dass ihre Stimme und ihr Handeln tatsächlich etwas bewegen können.
Freie Schule Bröbberow: Katharina Drewes hebt hervor, dass die Kinder besonders schätzen, wenn sie ihr Wissen nach Hause bringen und dort Veränderungen anstoßen können. Ein Beispiel hierfür ist der Verzicht auf Plastikflaschen, den die Schülerinnen und Schüler in ihren Familien initiiert haben. Sie fühlen sich stolz, wenn sie sehen, dass ihr Wissen und ihre Überzeugungen tatsächliche Veränderungen im Alltag ihrer Familien bewirken.Darüber hinaus schätzen die Schülerinnen und Schüler es, wenn sie selbst aktiv werden können. Die praktischen Erfahrungen und kreativen Projekte machen BNE für sie greifbar und spannend. Sie lernen, dass sie auch mit kleinen Aktionen Großes bewirken können.Die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung bieten viele interessante Themen, die die Schülerinnen und Schüler ansprechen. Besonders das Ziel 16 (Frieden) ist bei den Kindern beliebt. Die Schule unterstützt seit längerer Zeit Kinder in Tschernobyl, und durch BNE wird den Schülerinnen und Schülern bewusst, dass sie durch ihr Handeln zur Umsetzung dieses Ziels beitragen können.
Was können Sie anderen Schulen als Rat zum Thema BNE weitergeben?
Adalbert-Stifter Grundschule Erlangen: Der Start mit einer gelungenen Kickoff-Veranstaltung hilft, um das Thema BNE breit in der Schulgemeinschaft zu verankern. Sie betont, wie wichtig es ist, das gesamte Kollegium sowie den Elternbeirat einzubeziehen. Eine solche Veranstaltung sollte überzeugend sein und die Gemeinschaft informieren sowie motivieren.Kuen empfiehlt, mit Pilotklassen zu beginnen, die BNE ausprobieren und ihre Erfahrungen dann auf die gesamte Schule ausweiten. Dies nimmt Zweiflern den Wind aus den Segeln und zeigt, dass BNE kein zusätzliches Add-on ist, sondern Teil des Lehrplans und pädagogischen Freiraums. Kleine Schritte und langsames Vorgehen sind entscheidend, um Überforderung zu vermeiden.Ein Austausch mit anderen Schulen, die bereits Erfahrung mit BNE gesammelt haben, ist ebenfalls sehr wertvoll. Hospitationen und der Blick auf erfolgreiche Praxisbeispiele helfen, Ängste abzubauen und eigene Ansätze zu entwickeln. Jede Schule muss ihren eigenen Weg finden und die spezifischen Gegebenheiten berücksichtigen. Mut zum Starten und das Eingestehen von Rückschritten gehören dazu, um kontinuierlich Fortschritte zu machen.
"Wir gehen kleine Schritte und gehen langsam voran."
Freie Schule Bröbberow: Es empfiehlt sich, die Ressourcen im eigenen Umfeld zu nutzen und neue Ansätze auszuprobieren. Es gibt oft lokale Gegebenheiten und Möglichkeiten, die sich hervorragend für BNE-Projekte eignen. Sie betont die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit und gegenseitigen Unterstützung zwischen Kollegium und Schulleitung. Ein offener Dialog im Kollegium ist entscheidend, um Vorbehalte abzubauen und gemeinsame Lösungen zu finden. Der Austausch von Ideen und Erfahrungen fördert ein gemeinsames Verständnis und effektives Arbeiten.Ein zentraler Rat von Katharina Drewes ist der Mut zur Verantwortung und Offenheit. Lehrkräfte und Schulleitungen müssen diese Eigenschaften selbst vorleben, um die Kinder entsprechend zu erziehen. Gemeinsames Engagement und das Vorleben von Verantwortung und Offenheit sind essenziell, um die Schülerinnen und Schüler zu starken und verantwortungsbewussten Individuen zu erziehen.
"Liebe Kollegen und Kolleginnen, betrachten Sie BNE nicht als zusätzliche Aufgabe nach dem Motto: „Wann solle ich das jetzt auch noch machen? Ich muss doch den Lehrplan erfüllen!“ Betrachten Sie BNE als Chance, um ein weiteres Fundament zu errichten, auf dem man später ein Haus baut, um dann dorthin umzuziehen und den Garten mit den Kindern zu gestalten."