Treppengedicht & Schiebewortprobe
Ulla / 19.01.2023


Liebe LUPE-Freundinnen und -Freunde,

heute gibt es von mir einige Ideen und Vorschläge, wie man schon in der zweiten Klasse das schwierige Thema der Großschreibung behandeln kann.

Sicher habt ihr schon von Treppengedichten gehört und vielleicht auch schon erste Erfahrungen damit gesammelt. Für diejenigen, die – wie ich vor einiger Zeit – hier eher ratlos sind, werde ich meinen Weg mit meiner zweiten Klasse vorstellen.
Treppengedichte – was ist das und was soll das? Treppengedichte bestehen aus einem Aussagesatz mit Reim, der in Zeilen angeordnet wird, zum Beispiel so:
PASSWORT LUPE Sprachbuch 2 | Seite 46
Diese Anordnung der Zeilen entspricht der Fachwissenschaft: Normalerweise steht das Verb (Prädikat) in zweiter Stelle im Satz.
 
 Das Zebra steht immer noch da.
 
Davor oder danach finden sich im Satz Nomen- bzw. Präpositionalgruppen (z. B. „unter dem Baum“).
Diese lassen sich durch das Einfügen von Adjektiven attributiv erweitern und daran auch erkennen. Das heißt konkret: Wenn ich vor ein Wort ein Adjektiv einschieben kann, handelt es sich bei diesem Wort um eines, welches ich großschreiben muss. Ich beschreibe es ganz bewusst so umständlich, denn der Nutzen des Treppengedichtes basiert auf der Einsicht: Nicht die Wortart ist entscheidend, welches Wort ich im Satz großschreibe, sondern die Funktion – also die Eigenschaft im Satz – entscheidet darüber, welche Wörter man großschreibt. Wir Erwachsene wissen natürlich, dass Verben, Adjektive und fast alle anderen Wortarten nominalisiert werden können und dass sie dann großgeschrieben werden müssen. Aber Zweitklässler lernen: Nur Nomen schreibt man groß!
Zurück zum Treppengedicht:
 
 das Zebra
 das gestreifte Zebra
 das gestreifte, faule Zebra
 steht 
 immer noch da

In diesem Treppengedicht sind die Adjektive eingefügt worden. Diese schieben das Wort „Zebra“ nach rechts. Und das Wort, was sich nach rechts schieben lässt, muss man großschreiben (das letzte Wort der Nominalphrase). Die Wörter, die es nach rechts schieben, sind Adjektive.
In meiner Klasse habe ich das so gemacht:
Ich habe alle Wörter des Treppengedichtes an der Tafel angeordnet. Die Kinder haben den Impuls genutzt und alles gesagt, was ihnen auffällt. Dann haben wir die Adjektive durch eigene ersetzt. Das hat den Kindern Spaß gemacht. Jetzt habe ich ihnen ein Treppengedicht angeboten, das noch gar keine Adjektive hatte. Besonders lustig waren meine Versuche, dieses Tier zu illustrieren. :)

 der Floh
 der Floh
 der Floh
 freut sich
 so.

Jetzt haben wir mittels Wortkarten passende Adjektive gesucht und diese so eingefügt, dass die Wortkarte „Floh“ nach rechts verschoben werden musste. Klar, dass hier viele lustige Ideen entstanden.
Und dann erst folgte die Beobachtung: Das Wort, welches sich nach rechts schieben lässt, muss man großschreiben.
PASSWORT LUPE Sprachbuch 2 | Seite 48
Klar, bei Konkreta ist das nichts Neues, aber das funktioniert eben auch bei Nominalisierungen von Verben oder Adjektiven.
Der (kluge) Floh ist gut im (schnellen) Rechnen.
Wir haben dann zuletzt zusammen entdeckt, dass die Form an eine Treppe erinnert.
Wenn man eine geeignete Schultreppe hat, kann man die Wörter auch dort auslegen, jedoch kann man sie liegend schlecht lesen.
Und spätestens jetzt müssen die Kinder die Gelegenheit erhalten, selbst Treppengedichte zu schreiben. Ich habe ihnen vorbereitetes Material gegeben (je nach Stand) und darauf geachtet, dass die letzten Wörter auch wirklich großgeschrieben waren. Je nach Lerngruppe und eigenem Anspruch sollte man auch darüber entscheiden, ob der Satzanfang großgeschrieben und ein Punkt gesetzt werden soll (in den Prototypen ist das nicht so – lyrische Freiheit?).
Bildmaterial privat
Bildmaterial privat
Bildmaterial privat
Bildmaterial privat
Je nachdem, wie lange man sich bei den Treppengedichten aufhalten will, kann man nun differenzieren in Anspruch und Aufgabenformat.
- Angebot von farbig markierten Linien,
- Angebot von reimenden Elementen zum Zuordnen 

 Die Schlange  löscht  den Brand
 Das Krokodil  trompetet  und mir wird bange
 oder schwieriger: Maus-aus, Krokodil-viel, Hund-rund
- Einkreisen der schiebenden Adjektive, Unterstreichen der Nomen
- Konstruktion von Mehrfachtreppen (Das Nilpferd kocht Gemüse auf dem Herd.)

Mit diesen Aufgaben erreicht man schon viel: Das genüssliche Spielen mit Sätzen innerhalb eines vorgegebenen Rahmens fördert Kreativität und Sprachkompetenz. Daneben erwerben die Kinder grundlegendes Rechtschreib- und Grammatikwissen, das den neuesten Forschungen entspricht:
Sie erhalten ein zunächst intuitives Wissen über einfache Satzstrukturen (Verbzweitstellung). Darüber hinaus erlernen sie durch die attributive Erweiterungsprobe (wir nennen sie Schiebewortprobe) eine sichere Strategie, die Großschreibung im Satz (wortartenunabhängig) zu ermitteln.
An das Schreiben von Treppengedichten habe ich dann logischerweise die Ermittlung von Großschreibung in linearen Sätzen angeschlossen. Die Kinder haben von mir Schiebewörter erhalten. Die habe ich auf grünes Papier gedruckt (groß-große-großer-großes) oder das gleiche mit „schön“. In 3-er Gruppen haben die Kinder von mir Sätze erhalten, in denen (außer Satzanfang) alles kleingeschrieben war. Aufgabe: „Findet die Wörter, die man großschreiben muss.“ Die Kinder haben mit ihren Schiebewörtern ausprobiert, wo sie passen und die Wörter korrigiert.
Im Sprachbuch haben wir das so dargestellt:

PASSWORT LUPE Sprachbuch 2 | Seite 56
Im Sprachbuch der 2. Klasse finden sich sogar kurze Texte, die mittels der Schiebewörter korrigiert werden sollen.
Um das Ganze zu unterstützen, finden sich im Sprachbuch, im Arbeitsheft, in den Kopiervorlagen und in den „TEAM LUPE ERMITTELT“-Heften zahlreiche Übungen. Mal wird das Einsetzen der Schiebewörter geübt, mal das Einsetzen der Nomen.
PASSWORT LUPE Sprachbuch 2 | Seite 55
PASSWORT LUPE Sprachbuch Arbeitsheft 2 | Seite 41
Ich hoffe, ich konnte euch mein Vorgehen bei der Erarbeitung der (satzinternen, syntaxbasierten) Großschreibung mittels der Treppengedichte veranschaulichen und ihr habt nun Ideen und Lust, dies auch einmal auszuprobieren.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Schiebewortprobe eine sehr einfache, aber sichere Strategie ist, um die Großschreibung im Satz zu ermitteln. Gleichzeitig ersetzt sie die eher fehleranfälligen Strategien wie die Wortartenanalyse, die Artikelprobe, die Pluralprobe und die semantische Probe. Meine Klasse und ich hatten einfache, anschauliche Bezeichnungen und konnten uns seitdem gut verständigen. Bis in die 4. Klasse hinein hörten meine Kinder die Aufforderung: „Überprüf noch mal mit der Schiebewortprobe.“ [Alle Kinder haben das Schiebewort „groß“ mit allen möglichen Endungen auf grünem Papier laminiert im Mäppchen] Allein deshalb lohnt sich der mutige Einsatz!


Viele liebe Grüße

Ulla