Vom Einfachen zum Schwierigen – die Sache mit dem langen „i“
Sarina / 21.04.2022


Hallo liebe LUPE-Freunde und -Freundinnen,

für uns Lehrkräfte ist es selbstverständlich, dass wir den Kindern in der ersten Klasse zunächst die einfachen Laute und Buchstabenverbindungen beibringen. Es würde wohl niemand mit dem Y y oder dem C c beginnen wollen. Es ist ebenfalls unbestritten, dass wir mit den Kindern als Erstes lauttreue und regelhafte Wörter einüben und diese auch geschrieben werden. Wir würden Schreibanfänger und -anfängerinnen keine schwierigen Ausnahmeschreibungen wie Schnee oder Fohlen schreiben lassen und dann erwarten, dass diese korrekt verschriftet werden. Das Vorgehen „Vom Einfachen zum Schwierigen“ oder man könnte auch sagen „Erst die Regeln, dann die Ausnahmen“ erscheint logisch und leicht nachvollziehbar.
Nun ist es so, dass das I i eine besondere Stellung im Rahmen dieses Unterrichtskonzepts einnimmt. Genau wie alle anderen Vokale wird es akustisch in lang oder kurz realisiert. Jedoch existiert für beide lautlichen Realisierungen auch jeweils eine Schreibung – ie und I i. Das ie gilt als Regelschreibung für die lautliche Realisierung des Langvokals und ist somit lauttreu und mitsprechbar (Riese, nie, sie). Wörter mit I i als Langvokal gelten als nicht lauttreu und sind somit als Merkwörter zu behandeln (Igel, Tiger, Salami). Man könnte also sagen, insgesamt gibt es drei Möglichkeiten, die die Kinder beachten und langfristig verinnerlichen müssen, wenn sie Wörter mit einem i-Laut verschriften wollen. Wenn wir den Gedanken von zuvor konsequent im Unterricht verfolgen wollen, erscheint es klar, dass zunächst ausschließlich der kurze i-Laut in der Schreibung des I i und der lange i-Laut in der Schreibung des ie realisiert wird. Mit anderen Worten: Merkschreibungen wie Igel, Tiger oder Salami sind Schreibungen, mit denen Kinder noch nicht (und vor allem nicht als Erstes) in Kontakt kommen sollten. 

Schlussfolgernd aus dieser inneren Logik, haben wir in PASSWORT LUPE bewusst darauf Wert gelegt, dass keine Merkschreibungen des langen i-Lautes auftauchen. Da der Langvokal des i als Regelschreibung ie nicht im Anlaut vorkommt, wird das Bild sieben den Kindern als Beispiel für einen Inlaut angeboten. Außerdem werden I i und ie direkt hintereinander eingeführt. Sodass diese spezielle Thematik verständlich und zusammenhängend mit den Kindern besprochen und geübt werden kann. Folglich ist die rein akustische Unterscheidung des Lang- und Kurzvokals beim i besonders wichtig, da die Kinder immer wieder entscheiden müssen, welche Schreibweise richtig ist.
PASSWORT LUPE Fibel 1 | Seite 38 & 39
PASSWORT LUPE Fibel 1 | Seite 36 & 37
Es bietet sich an, nach der Thematisierung der entsprechenden Lupenseite Wörter mit ie und i zu sammeln (bspw. auf einem Plakat) und regelmäßig zu ergänzen. Dadurch wird die Besonderheit dieses Vokals herausgestellt und die Regelhaftigkeit seiner Verschriftung für die Kinder deutlich. Natürlich ist davon auszugehen, dass die Kinder auch Wörter nutzen und anführen wollen, die das i als lautliche Variante des Langvokals besitzen (lila, Omi, Polizei usw.). Diese Wörter sollten als Merkwörter behandelt werden und es ist möglich, sie unter der Rubrik „Ausnahmen“ ebenfalls zu sammeln. Allerdings sollten diese Ausnahmeschreibungen im Sinne der didaktischen Reduktion nicht eingehender thematisiert werden – wir erinnern uns: „Erst die Regeln, dann die Ausnahmen“.
PASSWORT LUPE Fibel 1 | Seite 35
In PASSWORT LUPE kommen die Kinder zu keinem Zeitpunkt mit den Ausnahmeschreibungen in Berührung, sodass die Umsetzung der Regel für die Kinder uneingeschränkt möglich ist und sie nicht verunsichert oder gar frustriert werden, wenn sie Wörter wie Paprika oder Pilot schreiben sollen und dann feststellen, dass diese gar nicht mit ie geschrieben werden (obwohl die Regel es so vorgibt). Eine permanente Konfrontation mit genau dieser Diskrepanz könnte nämlich langfristig dazu führen, dass die Kinder gar kein Gefühl dafür bekommen, wann nun i oder ie verschriftet wird und sie immer sehr unsicher bleiben.

Ich hoffe, diese Ausführungen haben euch einen guten Einblick in die Theorie und Praxis hinter den lautlichen Realisierungen des I i gegeben.


Alles Liebe

Sarina